Haushalts-Rede 2024 der Fraktion der Freien Wähler

Sehr geehrter Herr Landrat, liebe KollegInnen, geschätzte Bürgerschaft,
heute beschließen wir einen weiteren Haushalt, den letzten diesen Kreistags, den nächsten wird ein neu gewählter Kreistag in neuer Zusammensetzung beschließen müssen.

Was sich seit 2019 für diesen Kreistag als Rahmenbedingungen entwickelt hat, war nicht absehbar und hat sich niemand gewünscht.
Die Corona-Krise, die unsere Gesellschaft durcheinander gewürfelt hat, wie keine andere Krise in unserer neueren Geschichte! Krieg in Europa, vor unserer Haustür, mit einer neuen binneneuropäischen Flüchtlingswelle! Und letztendlich eine Finanzkrise, die die ständige Aufwärtskurve bei den Finanzen beendet.

Herr Landrat Sie haben das Schiff unseres Landkreises gut durch diese Stürme geführt, nun gilt es den Blick wieder strategisch in die Zukunft zu richten.

Die vielzitierte Zeitenwende hat uns erreicht. Auch wenn wir es nicht wahr haben wollen, die Zukunft wird anders aussehen, als die kommunale Vergangenheit. Vogel-Strauss darf keine Strategie sein.

Die Zeitenwende wird eine veränderte Herangehensweise an alle unsere Planungen erfordern. Ein ständiges „Mehr“ und „noch ein Wunschprojekt“ wird es nicht mehr geben können. Der neue Kreistag wird sich mit einer völlig veränderten Realität befassen müssen.

Es werden kluge Entscheidungen notwendig werden, was „notwendig“ und „dringlich“ ist, bzw. was „wünschenswert“ und „schiebbar“, ja vielleicht sogar manchmal „verzichtbar“ ist.

Zum Haushalt 2024 sei ganz kurz zusammengefasst:
– Die Arbeit am Haushalt wird von Jahr zu Jahr besser, wir bekommen weniger Veränderungslisten, die Anregungen aus dem Kreistag fließen gut in die Beratungen ein.

– Wir sind guter Hoffnung, dass die Stabilität der Kreisumlage-Hebesatzes erreicht wurde mit einer seriösen Planung, damit wir nicht unterjährig plötzlich größere Löcher im HH bekommen.

– Die 34%-Punkte sind gerade noch verträglich für die kommunalen Haushalte. Dies hatten Sie als Ziel ausgegeben und erreicht, auch dafür ein Danke!

Dem Haushalt 2024 könnte man insofern zustimmen.

Aber die Zukunft sieht ganz anders aus!
– Wir sind in größter Sorge um die finanzielle Entwicklung. Wir sind der Landkreis mit der derzeit landesweit höchsten Kreisumlage! Und dies bevor wir überhaupt mit der Finanzierung der Jahrhundertprojekte so richtig begonnen haben.

– Wir können uns nicht vorstellen, dass die Entwicklung der Verschuldung von ca. 40 Mio. € auf über 200 Mio. € bis 2032 genehmigungsfähig ist. Deswegen möchten wir dringend nochmals darum bitten die Gespräche bei der Regierungspräsidentin und dem Sozialminister für Januar oder Februar zu terminieren. Und wir meinen nicht die Arbeitsebene, sondern Termine bei der jeweiligen Hausspitze!

Um die Hürde der Finanzierbarkeit für ein neues Kreisklinikum zu nehmen, braucht es Gespräche und zeitnahe und klare Bekenntnisse aus Freiburg und Stuttgart.

– Die immensen Verpflichtungsermächtigungen, die wir mit dem Haushalt 2024 eingehen, binden uns für die Zukunft. Damit sind Ausgaben jetzt schon gebilligt, ohne das die Finanzierungsfragen dazu geklärt und im Haushalt verankert sind.

– Wir brauchen in der Zukunft ein anderes Verfahren der Haushalts-Aufstellung. Der Haushalt darf keine summarische Aufrechnung aller Wünsche sein, für die das Geld nicht reicht.

Wir brauchen ein Korrektiv, wie auf anderen staatlichen Ebenen auch, dass die verschiedenen Interessen und Sichtweisen ausgleicht.
Klare Prioritätenlisten der Aufgaben und Projekte in den Fachausschüssen und Rahmenbeschlüsse für die finanzielle Ausstattung der Themenfelder müssen sich ergänzen und ein neues Verfahren muss etabliert werden, sonst scheitern wir. Wir alle!
Dies sollte schnellstens in einer interfraktionellen Arbeitsgruppe erarbeitet und vom neuen Kreistag vor den HH-Beratungen beschlossen werden.

Die Freie Wähler Fraktion warnt seit Jahren vor der drohenden Finanzlage, nun ist sie da. Die Kommunen – und das wird nachher der Vorsitzende des Gemeindetages noch ausführen – stehen mit dem Rücken zur Wand und haben in 2024 ein absehbares Loch von bis zu 70 Mio. Euro in den gemeindlichen Haushalten.

Wir wollen nicht durch jährlichen Haushalts-Inkrementalismus in kleinen Schritten in eine unlösbare Finanzsituation kommen. Wir haben über die letzten Jahre immer die Haushalts-Disziplin angemahnt, wir haben einmal auch Zeichen gesetzt und die Finanzplanung und den Stellenplan als wesentliche Bestandteile des Haushalts-Plans abgelehnt, dem Haushalt dann aber insgesamt zugestimmt.

Wir hatten um kostengünstigere Alternativen bei der ASÜ und im BSZ, Stichwort Schweißerwerkstatt, geworben, wir fordern den Abbau von Doppelstrukturen im Sozialhaushalt, leider verpuffte dies alles bisher ungehört.
Deswegen macht es auch keinen Sinn nun als einzelne Fraktion Einsparvorschläge zu machen, die wieder nicht goutiert werden. Wir brauchen einen gemeinsamen Weg des gesamten Kreistags!

Deshalb ist nun für uns ein Punkt erreicht, wo wir dem Haushalt – aufgrund der Daten der Finanzplanung und v.a. der 10-jährigen Investitionsplanung – nicht mehr zustimmen können!
Die  immense Besorgnis unsererseits, in eine nicht mehr bewältigbare Finanzsituation ist nun real. Wir möchten uns nicht in 2 oder 3 Jahren nachsagen lassen, „Ihr habt ja immer zugestimmt“!

Deswegen werden wir uns beim Beschluss zum Haushalt enthalten. Nicht weil uns die Projekte nicht wichtig sind. Sondern weil die Finanzierungsfragen der Zukunft nicht geklärt sind.

Und ein Blick zum Haushalt 2025 sei auch noch erlaubt: Ohne einen kommunalverträglichen Finanzierungsplan für eine neue Klinik wird es absehbar keine Zustimmung von uns für einen Haushalt 2025 geben können.

Und „kommunalverträglich“ heißt hier: Ein Finanzierungsplan der sowohl den Kommunen als auch dem Kreis noch Handlungsspielräume für andere Aufgaben außer dem Klinikneubau läßt.
Ansonsten ist unsere Fraktion immer noch bereit, das Land auf die gesetzlich verankerte Finanzierung der Investitionen in Krankenhäuser zu verklagen! (vgl. unseren Antrag vom März 2023)
Und noch einen Schritt weiter gedacht, erwarten wir auch vom Bund, dass er den Krankenhäusern gesetzlich wieder eine solide Finanzierung durch die Kassen zukommen läßt. Denn wir tauschen im derzeitigen Finanzierungssystem mit dem Neubau einer Klinik absehbar die roten Zahlen der Krankenhäuser nur von einen „Betriebsabmangel“ zu einem„Abschreibungsabmangel“. Aber die Kliniken dürfen nicht dauerhaft am Tropf des Kreises hängen.
Dies mögen unsere Kollegen hier im Kreistag und die anderen Abgeordneten aus dem Landkreis, die Verantwortung als Regierung und Opposition in Stuttgart und Berlin tragen, bitte deutlich und hörbar dort auch anbringen.
Es ist Zeit etwas zu ändern. Jetzt!
Man kann in Berlin nicht Zeitenwende propagieren und dann weitermachen wie bisher!

Ansonsten bleibt uns nur Dank zu sagen an die Verwaltung und Sie persönlich Herr Landrat, für die gute und konstruktive Zusammenarbeit in diesem Jahr. Allen Kolleginnen und Kollegen wünschen wir viel Gesundheit, frohe Weihnachten und einen guten Start ins Neue Jahr 2024.